Einführung zur Eröffnung
Ausstellung GEORG SCHAIBLE – MALEREI UND GRAFIK
am 7. April 1997 von Hildegard Ruoff
Bilder in einer Ausstellung führen uns stets auch zu einem Menschen, lassen uns teilnehmen an seiner geistigen wie auch leiblichen Existenz; und heute, verehrte Anwesende, möchte ich versuchen Sie in diesem Sinn durch diese Ausstellung zu führen.
Klosterreichenbach ist DER ORT, an dem Georg Schaible 1907 geboren ist, SEIN ORT, zu dem er immer wieder zurückgekehrt ist und an dem er geblieben ist nach manchen Reisen, freiwilligen und unfreiwilligen. Dieser ORT ist für sein leben, seinen künstlerischen Weg DER ORT gewesen und geblieben. Er hat ihm immer wieder Kraft gegeben. Hier ist er mit dem Baum, dem Wasser, dem Stein eins gewesen, hat gehört und geschaut und wiederum geschaut wie die Jahreszeiten ihre Bilder entstehen ließen.
Georg Schaible war gerade zwei Jahre alt, als Christian Landenberger 1909 das Bild „Badender Knabe“ gemalt hat. Den Maler – gelebt von 1862-1927 – zog es immer wieder auch in den Schwarzwald und wer weiß, vielleicht hat er spielende Knaben in der Murg beobachtet. Georg Schaible hat viele Jahre später, es war 1946, selbst einen Knaben im Spiel von Licht und Schatten an der Murg gemalt, ein Bild, das mich immer wieder zu sich holt, habe ich die Freude im Hause von Peter und Beate Schaible zu Gast zu sein. Christian Landenberger war es auch, dessen Schüler Georg Schaible werden wollte. Nach dem Tod des Künstlers im Jahr 1927 war dies nun nicht mehr möglich. Der junge Mensch wollte dennoch an die Kunstakademie nach Stuttgart. Er zog von seinem ORT fort in die Stadt, nahm ihn mit, oder soll man besser sagen, dieser begleitete ihn und studierte von 1927-1932 bei den Professoren Arnold Waldschmidt und Anton Kolig.
Ihnen, werte Gäste, sind die biographischen Daten von Georg Schaible wahrscheinlich vertraut und doch gibt es vielleicht jüngere Freunde der Kunst, die um diese wenig Bescheid wissen.
So erlauben Sie mir, einen gerafften Überblick der wesentlichsten Daten zu geben.
1933:
nach Beendigung seines Studiums an der Akademie, Reise mit einem staatlichen und privaten Stipendium durch Italien bis hinunter nach Sizilien. „Damals“, so der Italienreisende, „bin ich ganz rasch von dem schulmäßigen zum eigenen Schaffen gekommen.“
1933:
Rückkehr im Spätherbst. Wie diese Rückkehr aussah, schildert Günther Wirth in seinem Buch „Verbotene Kunst – Verfolgte Künstler im Deutschen Südwesten“: „Der Kolig-Schüler Georg Schaible wurde nach seiner Rückkehr aus Italien im Spätherbst 1933 eher mißtrauisch empfangen. Die SS durchsuchte sein Haus, und für einige Zeit wachten SA-Posten vor der Haustüre. Nach einer letzten Ausstellung 1934 im Kunstverein Karlsruhe, schließen sich ihm die Ausstellungsräume. Seine Arbeiten werden überall kommentarlos abgelehnt. Aus dem Krieg kommt er schwer lungenkrank zurück, und es dauert zehn Jahre, bis er nach vielen Sanatoriumsaufenthalten geheilt ist.“
Zu dem Geschehen von 1933 passt gut ein Text von Alfred Kerr, den dieser 1947 geschrieben hat: „Hitler wußte, warum er die Künstler, alle Künstler, zum Schweigen verurteilte. Weil von wahrer Kunst Schärfung des Gewissens, Stärkung des Geistes, Kritik an der Halbwahrheit ausgeht, weil sie der Aufruf zur höchsten Menschlichkeit ist.“
Mit dem Ausstellungsverbot kommt hinzu, daß dem freischaffenden Künstler damals nicht nur die materielle Existenz abgeschnitten ist, sondern vielmehr, und dies ist vielleicht durch die Ausgrenzung das schmerzlichste, daß ein Dialog zwischen Werk und Publikum unterbleiben muß. Keine Diskussion, keine Fragen, keine Ermutigung ist mehr möglich.
Ein jeder ist ganz auf sein Selbst geworfen. Georg Schaible klagt, wie manch anderer Künstler, über das plötzlich aussetzende Kunstverständnis.
1940:
erfolgt für Georg Schaible die Einberufung und Kriegsteilnahme mit anschließender Gefangenschaft. Wie schon Günther Wirth erwähnte, kehrte der Künstler schwer erkrankt an seinen ORT zurück, den er immer wieder für längere Zeit zur Ausheilung seiner Krankheit verlassen mußte. Georg Schaible hat sich nach Ausheilung seiner Krankheit um 1956 mit neu gewonnen Kräften wieder in das Leben zurück gemalt und gezeichnet.
„Bald beginnt eine rege Ausstellungstätigkeit. Seine Bilder sieht man des öfteren im Württembergischen Kunstverein, er stellt bei den Juryfreien in Stuttgart aus. Unter anderem werden seine Bilder in Heilbronn, Karlsruhe, Krefeld und Ulm gezeigt.“ – So Dr. Schöpp 1949 im „Schwarzwälder Boten“.
1955:
gehört Georg Schaible mit Dr. Schöpp, David Fahrner und Otto Rühle zu den Gründern der Gruppe: „DAS QUADRAT“. Für die Stadt Freudenstadt sozusagen ein „Vierblättriges Kleeblatt“, ein Glücksfall für die Stadt. Mit großem Elan und Engagement und vor allem Kunstsachverständnis, holte „DAS QUADRAT“ Künstler aus dem Südwestdeutschen Raum und darüber hinaus in das Stadthaus zu Ausstellungen und gleichzeitig wurde eine beachtenswerte Kunstsammlung aufgebaut. Georg Schaible hat als Blatt im Kleeblatt bis zur Auflösung der Gruppe 1992 mitgewirkt.
1957:
anlässlich des 50. Geburtstages wird die erste umfassende Werkübersicht des Künstlers im Stadthaus Freudenstadt gezeigt. Diese Ausstellung hat Dr. Karl Votteler im „Fremdenblatt für Freudenstadt“ in einem sehr klugen, einfühlsamen und umfassenden Bericht besprochen.
1958-1975:
beginnt seine Lehrtätigkeit an verschiedenen Gymnasien im Angestelltenverhältnis. Eine sehr gute Zeit in fruchtbarer Auseinanderstzung zwischen Lehrer und Schüler.
ab 1975:
Wieder frei und freischaffend.
Soweit der kurze Einblick in die Biographie eines langen, reichen Künstlerlebens und es ist für mich eine Freude, mit dem Künstler und seiner Familie, und mit Ihnen als Zuhörer, hier diese Einführung halten zu dürfen. Bewegt hat mich auch, daß Georg Schaible und Fritz Ruoff zur selben Zeit in Stuttgart studiert haben. Die beiden Künstler sind sich immer wieder begegnet und waren einander menschlich und künstlerisch verbunden.
Die Landschaft – das Porträt – das Interieur – das Stilleben ist immer wieder Anlaß und Auseinandersetzung von Form und Farbe auf der Bildfläche.
„Das Bild als Bau“, so Theodor Hetzer zum Werk von Paul Cézanne, war das grundlegende Ereignis für Georg Schaible, und es war das „Kultbuch“, so nannte der Künstler es im Gesprach mir gegenüber, „Cézanne und Hodler“ von Fritz Burger, das ihm und anderen Studenten damals wie eine Offenbarung erschien.
Hier fand er seinen eigenen Weg vorgezeichnet. Ich möchte dies als seine „innere Korrespondenz“ bezeichnen. In dieser „inneren Korrespondenz“ befinden sich, meine ich, neben Paul Cézanne, Edward Munch, Henry Matisse, Ferdinand Hodler und auch Karl Hofer, mit dem Georg Schaible aus der Verehrung zum Menschen und Künstler, eine zeitlang Briefe wechselte.
„Das Bild als Bau“. Wie klar und konsequent Georg Schaible seine Bilder gebaut hat, ist hier in diesem Ausschnitt eines umfangreichen Werkes zu erkennen.
Bei meinen Besuchen im Atelier des Künstlers und im Hause von Peter und Beate Schaible stehe ich immer wieder vor den Landschaftsbildern mit Bäumen, empfinde diese als ein ganz wesentliches Formelement. Die Landschaft ist nicht als Topographie zu begreifen, sie ist einfach DER ORT mit seiner Architektur: der Baum, verwurzelt in der Erde, aufstrebend dem Licht entgegen. Georg Schaible ist im Schwarzwald geboren, der Baum ist wie eine Metapher seines Hierseins. Keinesfalls jedoch ist der Künstler ein Heimatmaler. Er ist ein offener, freier, souveräner Künstler.
Aber, es ist auch die Murg, das klare, rasch dahinfließende, still an manchen Stellen verweilende Wasser, in dem der Knabe zwischen den Granitblöcken und Steinen gespielt hat. Baum, Wasser, Granit, Licht sind die Grundelemente seiner Bildfindungen.
Das Spektakuläre im Leben von Georg Schaible ist sein Bekenntnis zur Kunst, sein unbeirrbarer Weg in seiner Treue zu sich selbst, seiner innersten Verantwortung folgend in seiner bildnerischen und menschlichen Aussage.
Jedes Bild ist eine Aufforderung zum Dialog, zum Gespräch, zum Schauen und manchmal geschieht es, daß wir im Schauen uns dabei selbst finden und begegnen.
Erlauben Sie mir zum Abschluß meines Versuches einer Einführung zu dieser Ausstellung ein Gedicht von Friedrich Hölderlin vorzutragen.
Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Spaziergang
Ihr Wälder schön an der Seite,
Am grünen Abhang gemalt,
Wo ich umher mich leite,
Durch süße Ruhe bezahlt
Für jeden Stachel im Herzen,
Wenn dunkel mir ist der Sinn,
Den Kunst und Sinnen hat Schmerzen
Gekostet von Anbeginn,
Ihr lieblichen Bilder im Tale,
Zum Beispiel Gärten und Baum,
Und dann der Steg, der schmale,
Der Bach zu sehen kaum,
Wie schön aus heiterer Ferne
Glänzt einem das herrliche Bild
Der Landschaft, die ich gerne
Besuch in Witterung mild.
Die Gottheit freundlich geleitet
Uns erstlich mit Blau,
Hernach mit Wolken bereitet,
Gebildet wölkig und grau,
Mit sengenden Blitzen und Rollen
Des Donners, mit Reiz des Gefilds,
Mit Schönheit, die gequollen
Vom Quell ursprünglichen Bilds.
Friedrich Hölderlin
Weitere Quellen und Informationen zu Georg Schaible:
Auf Grund des Urheberrechts können wir hier nur die Quellen veröffentlichen, die dazu auch ihr Einverständnis gegeben haben.
Bei Interesse sind die Original-Unterlagen auch gerne im Hause Schaible einsehbar bzw. in digitaler Form auf Anfrage verfügbar. Wenn Sie von uns die Zugangsdaten genannt bekommen haben, können Sie sie hier herunterladen (PDFs & Texte als Zip-Archiv, ca. 65 MB).